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Ein Gedicht zum Thema

Fernsprechregeln

Oder

Der Angeschlossene, wie er sein soll.

Zugleich Winke für Anschlußlustige.
Von einem Postmann
Illustriert von einem anderen


Ja, ja; man ist doch ziemlich weit

Betreffs Elektrotechnik heut.

Zum Beispiel ist es doch schon was,

Wenn Lampen brennen ohne Gas,

Wie ohne Oel und Sterarin

Und wo sie sonst von Lichter ziehn.

 

Nicht minder günstig läßt sich an

Die Hauptkadetten-Eisenbahn,

Die ohne Kohlen, Torf und Holz

Dahinsaust so elektrisch-stolz

 

Der Phonograph als Wiederkäuer

Ist eigentlich noch etwas theuer;

Dafür muß aber der Staniol

Aufnehmen all' und jeden Kohl;

Und dies kann Menschen wohl bethören,

Die gern sich selber reden hören.

Das Mikrophon ist auch ganz nett,

Wo man das dreigstrich'ne Z

Von Primadonnen hören kann

Bei Kroll und braucht nicht dicht heran,

froh ausruft: "Ha, die Stimme kenn' ich!"

Und alles dies für 30 Pfennig.

 

Dergleichen Klangvermittlungssachen

Sind ganz gewiß nicht zu verlachen;

Indessen wird von ernsten Zwecken

Vorläufig wenig man entdecken.

Wie anders doch und besser schon

Ist dieses bei dem Telephon.

Bewundernd zieht man seine Mütze

Vor solcher Nahverkehresstütze.

 

Erfunden ist es, wie man weiß,

Von einem Deutschen, Philipp Reis;

Der drahtete den Klang und Ton

In Frankfurt (Main) gar lange schon,

Bevor ein Andrer daran dachte

Und seine "Nachempfindung" brachte.

Der fremden Forschungskraft in Ehren:

Den Ruhm soll Deutschland Keiner wehren!

 

Daß jetzt der Klang so deutlich, hell,

Verdanken wir zunächst Herrn Bell,

Und dem, was noch dazu erdacht

Herr Werner Siemens über Nacht. —

Ein Röllchen Draht, Membran, Magnet,

Ein Holzgehäuse – und es geht!

Wie billig, staunt man weit und breit

Ob solcher großen Einfachheit.

Der Postchef von dem Deutschen Reich

Begriff die Wichtigkeit sogleich

Und ging auch hierbei allvoran;

Legt Fernsprechstellen schleunig an:

So daß, was Deutschem Geist entsproß,

Den Deutschen sich zuerst erschloß.

 

Nach solchem Vorgang alle Welt

Das Wunder jetzt in Händen hält

Im platten Lande kreuz und quer

Spannt sich der Fernsprechdrähte Heer;

In Städten ruft man lange schon

Post Mahlzeit sich per Telephon.

 

Wenngleich so jedes Kind fast kennt

Dies schöne Fernsprechinstrument,

So hört man dennoch vielfach sagen

Und raisonniren laut und klagen:

 

"Was nützt mir nun der ganze Kitt,

Wenn's beim Gebrauch will klappen nit?

Seitdem ich glücklich angeschlossen,

Hat täglich es mich sehr verdrossen,

Daß man beim Klingeln mich nicht hört,

Dagegen oft beim Reden stört;

Daß, wenn ich mal nach Borchardt rief,

Ich Bollen in die Strippe lief,

Und falls ich dachte, nu' geht's fein,

Ich plötzlich hing mit Löwenstein.

Der Kasten geht schon fast in Stücken

Von all dem vielen Knöpfedrücken!"

 

Solch Raisonniren hilft ja sehr:

Man fühlt sich leichter hinterher.

Indeß der Flüche Adressat

Sei nicht der todte Apparat,

Sei nicht das Reichsvermittlungsamt,

Das unter tausend Drähten kramt: —

Du selber, angeschloss'ner Mann

Bist allermeistens Schuld daran!

Der Kasten thut es nicht allein;

Es muß auch Ordnung dabei sein.

Gedenke doch der Kriegerzeit,

Wo viele Tausend weit und breit,

Sich stramm beweget auf und ab,

Und dennoch es kein Chaos gab.

Da saß, gesteh' es, kurz und gut

Die Ordnung Dir in Fleisch und Blut:

Da saß der Kleine Waldersee

So fest, wie nur das ABC.

 

Oh, könnt ich Gleiches doch verkünden

Statt Deiner telephon'schen Sünden!

Nähmst Du zur Hand nur jenes Buch;

Dann wüßtest Du mehr als genug:

Das Büchlein, welches Alle nennt,

Die man als angeschlossen kennt,

In dessen bunten Deckels Spalten

Die Fernsprechregeln sind enthalten.

Und zum Beweis, wie einfach sie,

will ich sie wiedergeben hie.

 

Vorbemerkungen.

 

§ 1.

Von 7 früh bis Abends 9

Kannst Du des Fernspruchs Dich erfreu`n.

(Doch merke wohl: zur Winterzeit

Steht man von 8 Uhr erst bereit.)

 

§ 2.

Der Apparat im Ruhestand:

 

Es bleiben friedlich an der Wand

Die ganzen Sachen, und zwar muß,

Damit Du hörst den Klingelgruß,

Der lose Theil korrekter Weise

Im Haken hängen am Gehäuse.

 

§ 3.

Zum Hören stellst Du Dich davor

Und hältst dabei Dein rechtes Ohr

Vor jene Oeffnung an der Wand,

Dieweil Du mit der linken Hand

Das lose Instrument erfaßt

Und links ans Ohr geführet hast.

 

§ 4.

Beim Sprechen bleibet, wie zuvor,

Das lose Instrument am Ohr;

Gesprochen wird in jenes Loch,

Das am Gehäuse gähnt; jedoch

Darf man das süße Lippenpaar

Nicht gegen drücken ganz und gar:

Man läßt dazwischen klüglich frei

An Centimetern fünf bis drei.

 

Das laute Brüllen ist verwehrt,

 

Ein dünnes Flüstern gleich verkehrt.

Recht deutlich und fein accentuirt,

Wie wenn ein Mime Rede führt:

So sollte einzig und allein

Die Fernsprechunterhaltung sein.

 

Wenn Du (Herr A.) Deinem Freund

 

Jacobi zu sprechen wünschest.

 

§ 5.

Du mußt hierzu vor allen Stücken

Auf das bewußte Knöpfchen drücken,

Doch einmal blos und nicht zu lang,

Sonst giebt es Störung gleich damang.

Drauf nimmst vom Haken Du das Ding,

Das hier im Stand der Ruhe hing,

Und stellst Dich so in Position,

Wie im Vers Drei geschildert schon.

 

§ 6.

Nun kommt die Meldung angeschrammt,

Wenn Du verstanden bist: "Hier Amt".

Dann äußerst Du, gemäß Vers Vier,

(Die Höflichkeit verkneifend Dir)

Nur: "Nummer Sechs" (die Zahl der Liste)

"Jacobi!" -- Und schon fertig biste.

 

§ 7.

Hörst Du nun aus dem Fernsprechkasten

(Denn immer noch am Ohre hast`en):

Ein: "Bitte rufen!", mußt Du unten

Den Weckknopf halten vier Sekunden

Und so zum Hören dich bereiten,

Wie es Vers Drei gelehrt bei Zeiten.

 

§ 8.

Sofern Freund J. zufäll`ger Weise

Demselben Sprechvermittlungskreise

Mit Dir nicht angehört (drob siehe

Das bunte Regelbuch) verziehe,

Eh` Du den Weckknopf drückst nach unten,

So etwa dreimal zehn Sekunden;

Damit die zwei Vermittlungsstellen

Hübsch fertig sind in allen Fällen.

 

§ 9.

Ist nun Jacobi gleich zur Hand,

Tönt Dir entgegen aus der Wand

Ein: "Hier Jacobi!" und "Wer dort?"

Worauf Du also gleich fährst fort:

"Hier A!" Mit Grazie geht dann heiter

Und schlank die Unterhaltung weiter.

 

Dabei ist`s gut, am Schluß von Fragen

Hübsch "Bitte Antwort" noch zu sagen;

Sowie als steten Abschiedsgruß

Zu tauschen aus das Wörtchen "Schluß".

Dann wird es immer kommen vor,

Daß keiner hat das Ding am Ohr,

Weil A. und J. zu gleicher Zeit

Erzählen sich mit Emsigkeit,

Im Drang vergessend nebenbei,

Was drob verordnet der Vers Drei,

Und so ganz nutzlos in die Luft

Die beiden Reden sind verpufft.

 

§ 10.

Erwidert J. mal: "Lieber A.,

Ich habe nicht die Strazze da,

Worin ich das Gewünschte buche;

Erlaube , daß ich sie erst suche!"

So äußertst Du in Höflichkeit:

"Gewiß, Freund J.; ich habe Zeit!"

Und wartest dann gemäß Vers Drei,

In Hörerstellung, dicht dabei,

Bis aus des Wunderkastens Grund

Jacobiseitig Dir wird kund:

"Die Sach` hat ihre Richtigkeit;

Nur weiter, Herr; ich bin bereit!"

 

Und dann wird weiter conversirt.

Der Klingelknopf bleibt unberührt.

 

Wenn aber J. gemeldet hätte,

Daß unbekannt des Buches Stätte,

Verkramt es sei vom jungen Mann

(Wie es sich ja ereignen kann);

Dann macht` der gute Abonnent

Der Unterhaltung flugs ein End`

Und spräch`: "Ich rufe später wieder;

Die Andern warten!" Damit schied` er

Und gäbe so des Schlusses Zeichen,

Wie es dem elften Verse eigen.

 

§ 11.

Seid Ihr mit Eurem Spruch zu Ende,

So gebt die losen Instrumente

Dem Haken wieder. Dann muß A.

(Und nicht der Andere etwa!)

Behalte dieses ja im Kopf;

Dreimal kurz drücken auf den Knopf:

Wonächst das Amt in schnellem Lauf

Hebt wieder die Verbindung auf.

(Dies Zeichen ist auch dann vonnöthen,

Wenn Du sogleich willst weiter flöten

Durch`s Telephon an einen Dritten.

Nur möchte man Dich ernstlich bitten,

Nicht allzu rasch zu wecken neu,

Damit das Amt versucht nicht sei

Zu denken , daß der Weckruf wär`

Ein Theil des Schlußrufs von vorher.)

 

§ 12.

Ist nun Dein erster Ruf (Vers Sieben)

Vergelich Dieserhalb geblieben,

Weil Herr Jacobi schon besetzt:

So sei darob nicht gleich verletzt,

Und schreie den Vermittlungsmann

Nicht überdies noch gröblich an,

Wenn er die Meldung macht davon;

Antworte nur im milden Ton:

"Verstanden", und dann warte still,

Wie es die neue Vorschrift will,

Das Holz am Haken, unverdrossen,

Bis fünf Minuten sind verflossen,

Dann weck` auf`s Neue, wie bestimmt,

Das heißt Vers Fünf in Anspruch nimmt.

 

Wie der geweckte Herr Jacobi seinerseits verfährt.

 

§ 13.

Ertönt der Wecker mal "Klingling",

So hängt man schleunig ab das Ding

Von jenem Haken, hält`s derart,

Wie unter Vier geschildert ward,

Und sagt: "Hier J. Wer dort?" Womit

Vers Drei in seine Rechte tritt.

 

Darauf fängst Du, A., des Weitern an,

Wie es im Vers Neun man lesen kann.

 

Nur daß um Alles in der Welt

Jacobi dann nicht etwa schellt,

Und statt des Rufs "Hier J. Wer dort?"

Womöglich drückt in einem fort

Das gäbe eine Confusion,

Die der von Babel gliche schon.

 

Wenn man eine Nachricht durch das Vermittlungs=

Amt selbst besorgen lassen will.

 

§ 14

Wenn Du z. B. eine Fete

Absagen mußt noch ziemlich späte,

Und keinen Boten hast zur Stelle:

So wecke nur auf alle Fälle

Gemäß Vers Fünf, und alsdann

Die Meldung "Amt hier" langet an,

Antworte schleunig: "Bitte, schreiben!"

Dann wird man Dir nicht schuldig bleiben

Die Antwort: "Bitte, bringen!" Wo

Du nun diktirest: "so und so;

Der Rohrpostkarte zu versenden

Nach diesen und nach jenen Enden!"

 

Auch Telegramme ganz famos

Läßt man auf diese Weise los

Bis kurz vor Neune. Wunderbar!

Und braucht nicht mal ein Formular.

 

Schlußvermahnung

 

§ 15.

Zu langes Sprechen bringet Schaden

Den ganzen Anschluß=Kameraden:

Die Kürze, so des Witzes Seele,

Daher beim Fernspruch niemals fehle.

 

Dies wären so in großen Zügen

Die Regeln, die am Herzen liegen

 

jedwedem wahren Biedermann,

Der wirklich telephönern kann.

Auch möchten Alle, Mann und Frau,

 

Befolgen Sie doch recht genau:

Dann gäb`s von Störung keine Spur,

Die Sache ging` wie an der Schnur!

 

Die Männer vom Vermittlungs=Amt

Sind auf dem Posten insgesammt,

Mit nichten aber "morsch, verbraucht",

Wie jüngst der Vorwurf aufgetaucht

In einem Börsen=Preßorgan,

Aus Kreisen, die geschlosseen an.

 

Wer solchen Vorwurf konnt` erheben,

Dem sei der gute Rath gegeben,

Sich umzuschauen im Breau,

Wo junge Herren comme il faut

Stehn, dienstbeflissen alle Zeit,

Auf jeden Anruf hin bereit,

Und dann mit nie geahntem Mumm

Die Drähte schalten fröhlich um.

 

Moral:

 

Die angeslellten Leute

Sind oft des Raisoniertischs Beute,

Und hinterher wird es dann klar,

Daß Alles blinder Lärm nur war.

Drum fasse Jeder mit Emphase

Sich an die Werthe eig`ne Nase:

Der "Anschluß" thut es nicht allein,

man muß auch hübsch verständig sein!


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